Seide Licht Raum
Installation im nicht sanierten Haus

.. aber wer hat denn schon
so eine Wand?!
In Quedlinburg befinden sich rund 2000 Fachwerkhäuser aus acht Jahrhunderten. Sie geben gemeinsam mit den kopfsteingepflasterten Gässchen der Stadt die Prägung einer verträumten Oase vergangener Zeit.
Diese außergewöhnliche Geschlossenheit eines mittelalterlichen Stadtbildes
macht Quedlinburg zu einem der größten Flächendenkmäler der Bundesrepublik.
1994 erhielt die Stadt deswegen die Anerkennung als Weltkulturerbe durch die UNESCO.
Das brachte Veränderungen mit sich.

War bis dahin die Stadt rund 100 Jahre durch Kriege, politische Umbrüche und Geldknappheit dem Verfall preis gegeben gewesen, begann jetzt nicht zuletzt wesentlich gefördert durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ein Bau- Renovierungs- und Sanierungsboom.


Kaum eine Quedlinburgerin / ein Quedlinburger hat nicht schon selbst entdeckt, wie sich hie und da Stroh in der Wand verbirgt, hat noch nicht gestaunt über den Anblick des Fachwerkgerippes, nachdem die Gefache entnommen waren, oder kennt nicht den erdigen Geruch von feuchtem Lehm.

Für rund 20 Jahre gehörte die Baustelle im eigenen Haus oder der unmittelbaren Nachbarschaft zum Alltag in der Quedlinburger Altstadt.

Diese Erfahrung veranlasste Lili Grünewald den endlichen Schwebezustand zwischen "alt-verfallend" und "neu-alt" durch eine Installation zu würdigen. Sie konterkarierte die Banalität der rohen Umbruchsituation mit hoch veredelter zarter Maulbeerseide - dem Inbegriff kostbarer Entrücktheit.
Es entstand eine eigenwillige Ästhetik des Augenblicks.

Für ein halbes Jahr zog Lili Grünewald mit ihrem Atelier in das im Umbau befindliche Haus am Finkenherd 4, in dem sie die Installation aufgebaut hatte.




Eines Tages stand einer der Besucher des Offenen Ateliers vor einem der zarten Seidenschleier
und betrachtete das Objekt. Stumm vertiefte, ja versenkte er sich in den Anblick. Unter der Macht eines entstehenden inneren Monologes
begann sein Körper leicht zu wanken -
und schließlich brach es regelrecht aus ihm hervor:
...aber wer hat denn schon so eine Wand?!